LG Berlin II – Az.: 67 S 213/24 – Beschluss vom 19.02.2025
LG Berlin II – Az.: 67 S 213/24 – Beschluss vom 19.02.2025

Gerichtliche Entscheidung (Autorenbild Von BGH - BGH-Urteil, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=39471583)

URTEIL IM VOLLTEXT:
Es wird darauf hingewiesen, dass die Kammer beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das am 22. August 2024 verkündete Urteil des Amtsgerichts Spandau – 3 C 89/24 – durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Gründe:
I) Die gemäß § 522 Abs. 1 ZPO vorzunehmende Prüfung ergibt, dass die Berufung zulässig ist. Die Berufung ist gemäß § 511 Abs. 1 ZPO statthaft. Die gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Mindestbeschwer ist erreicht. Die Form- und Fristvorschriften der §§ 517, 519 und 520 ZPO sind gewahrt.
II) Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
Das Amtsgericht hat die Beklagten mit zutreffender Begründung zur Räumung verurteilt. Die Berufung der Beklagten rechtfertigt keine andere Entscheidung.
Wie das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung in nicht zu beanstandender Weise ausführt, hat die Klägerin gegen die Beklagten einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der von ihnen innegehaltenen Wohnung im 2. OG links des Vorderhauses des Anwesens … Straße XX in … B. aufgrund der zwischen den Parteien am 29.6.2023 geschlossenen Auflösungsvereinbarung.
Entgegen der von den Beklagten vertretenen Ansicht stand ihnen kein Recht zum Widerruf dieser Vereinbarung zu. Ein solches Widerrufsrecht ergibt sich weder aus § 355 Abs. 1 BGB, noch aus einer anderen gesetzlichen Vorschrift. Auch die zwischen den Parteien geschlossene Vereinbarung sieht einen späteren Widerruf nicht vor. Aus diesem Grunde sind beide Parteien an die Einhaltung ihrer Pflichten aus der am 29.6.2023 geschlossenen Vereinbarung gebunden Die zwischen den Parteien geschlossene Auflösungsvereinbarung unterfällt auch zur Überzeugung der Kammer nicht dem Anwendungsbereich des § 312 Abs. 1 BGB, da sich die Beklagten in ihr nicht „zu der Zahlung eines Preises verpflichtet“ haben.
Während § 312 Abs. 1 BGB aF allgemein auf eine „entgeltliche“ Leistung des Unternehmers abstellte und damit eine denkbar weite und flexible Interpretation ermöglichte, ist das Gesetz nun deutlich konkreter formuliert. Insbesondere verlangt § 312 Abs. 1 BGB ausdrücklich die „Zahlung eines Preises“ oder eine entsprechende Verpflichtung durch den Verbraucher. Eine solche liegt hier aber nicht vor. Insbesondere stellt die Verpflichtung der Beklagten zur Räumung der Wohnung keine „Zahlung eines Preises“ im Sinne des § 312 Abs. 1 BGB dar, auch wenn daraus ein geldwerter Vorteil für die Vermieterseite entsteht.
Der Begriff des „Preises“ ist enger als der des „Entgelts“ im Sinne des § 312 Abs. 1 BGB aF auszulegen. Während eine entgeltliche Leistung nicht zwingend in Geld erbracht werden musste (BT-Drs 17/13951, 72), ist dies mit der Einführung des Begriffs „Preis“ nun gerade der Fall (so auch Rosenkranz ZUM 2021, 195, 203). Dafür spricht auch die Einführung des § 312 Abs. 1a BGB, welcher den Anwendungsbereich auf solche Verbraucherverträge über Abs. 1 hinaus ausdehnt, bei denen die Gegenleistung in der Bereitstellung personenbezogener Daten oder der Verpflichtung hierzu liegt. Wäre jedes Entgelt als Gegenleistung ausreichend, so hätte es keiner ausdrücklichen Regelung in Abs. 1a bedurft (Koch in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 312 BGB, Rn. 6).
Weder § 312 Abs. 1 BGB noch die der Regelung zugrunde liegende Verbraucherrechte-RL enthalten eine Definition des Begriffes „Preis“. Die Auslegung des Preisbegriffs kann sich an Art. 2 Nr. 7 Digitale-Inhalte-RL orientieren. Danach umfasst der Begriff „Geld oder eine digitale Darstellung eines Werts“. Für einen Rückgriff auf die Definition aus der Digitale-Inhalte-RL spricht die Entstehungsgeschichte von § 312 Abs. 1 BGB. Nach der Gesetzesbegründung sollte durch die Änderung von § 312 Abs. 1 BGB zum 1.1.2022 die Systematik des neuen Art. 3 Verbraucherrechte-RL nachvollzogen werden. Die Neufassung des Art. 3 Verbraucherrechte-RL durch die Modernisierungs-RL diente wiederum dazu, einen Gleichlauf zwischen der Digitale-Inhalte-RL und der Verbraucherrechte-RL zu erreichen. Dies spricht dafür, bei der Auslegung des Preisbegriffs in Art. 3 Verbraucherechte-RL die Definition aus Art. 2 Nr. 7 Digitale-Inhalte-RL heranzuziehen.
In richtlinienkonformer Auslegung ist daher bei der Auslegung des Begriffs „Preis“ in § 312 Abs. 1 BGB ein Gleichlauf mit § 327 Abs. 1 S. 2 BGB herzustellen. § 312 Abs. 1 BGB erfasst danach eine vertraglich vereinbarte Geldleistung. Die §§ 312 ff. BGB sind darüber hinaus auch anwendbar, wenn die Parteien als Gegenleistung die digitale Darstellung eines Wertes vereinbart haben. Erfasst wird deshalb auch eine vertraglich vereinbarte Zahlung in Form einer Kryptowährung wie z.B. Bitcoin (vgl. BeckOGK/Busch, 1.7.2023, BGB § 312 Rn. 11, beck-online; Staudinger/Thüsing (2024) BGB § 312; Junker/Seiter in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, § 312 BGB (Stand: 01.02.2023)).
Das Merkmal der „Zahlung eines Preises“ ist danach in seiner Kernbedeutung erfüllt, wenn der Verbraucher einen Preis in Geld zahlt, um eine Ware, Dienstleistung oder andere Leistung vom Unternehmer zu erhalten (MüKoBGB/Wendehorst, 9. Aufl. 2022, BGB § 312 Rn. 39, beckonline). Neben einem Preis in Geld im Sinne eines gesetzlichen Zahlungsmittels sind von § 312 Abs. 1 BGB also nur solche Gegenleistungen erfasst, denen nach der Verkehrsauffassung oder der besonderen Vereinbarung der Parteien Zahlungsfunktion zukommt. § 312 Abs. 1 BGB umfasst daher jede Gegenleistung, die beziffert ist und sich nach der Verkehrsauffassung als „Hingabe eines Wertes“ darstellt (MüKoBGB/Wendehorst, 9. Aufl. 2022, BGB § 312 Rn. 40, beck-online). Daran fehlt es bei der Verpflichtung zur Räumung einer Wohnung, da diese – wie bereits ausgeführt – zwar für den Vermieter einen geldwerten Vorteil darstellt, aber eben nicht beziffert ist und danach nicht die „Zahlung eines Preises“ im Sinne des § 312 Abs. 1 BGB darstellt. Anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht daraus, dass die Klägerin zum Ausgleich der mit der Rückgabe der Wohnung verbundenen Nachteile einen Betrag in Höhe von 30.000 Euro an die Beklagten zu zahlen bereit war. Diese Zahlung diente lediglich der Kompensation dieser (möglichen) Nachteile der Beklagten; sie bezifferte nicht den Wert oder Preis der Räumung.
Da den Beklagten kein Widerrufsrecht zustand, kommt es auch nicht darauf an, ob sie über ein solches belehrt wurden und unter welchen örtlichen und tatsächlichen Umständen die Auflösungsvereinbarung zustande kam. Die von den Beklagten in der Berufungsbegründung bemühte Kommentarliteratur stützt – wie dargestellt – ihre Rechtsansicht gerade nicht, sondern zitiert nur unvollständig und auszugsweise sinnverändernd die dort vertretenen Ansichten.
III) Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass die fehlende Erfolgsaussicht offensichtlich ist. Insbesondere waren in der Berufung keine neuen Aspekte zu berücksichtigen. Für das Berufungsgericht haben sich keine schwierigen Rechtsfragen ergeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich. Eine Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung liegt nicht vor. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
IV) Die Beklagten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme und gegebenenfalls Rücknahme der Berufung binnen zwei Wochen. Es wird darauf hingewiesen, dass sich die Gerichtsgebühren bei Rücknahme der Berufung ermäßigen (Nr. 1222 KV).
V) Die Parteien werden gebeten, binnen derselben Frist die Höhe der Nettokaltmiete/ Nutzungsentschädigung im Zeitpunkt der Einlegung der Berufung mitzuteilen.
Titelbild: Foto von Femi Oyekoya auf Unsplash
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